Neben den grossen Blasmusiken ist die kleinere Bandella ein wichtiger Bestandteil der Volksmusik im Kanton Tessin. Während vergleichbare Formationen südlich des Alpenbogens früher weit verbreitet waren, sind sie heute selten geworden und finden sich fast nur noch im Tessin, und auch dort in immer geringerer Zahl. Früher gehörten die Bandelle als Begleitung zu allen wichtigen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ereignissen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden sie zum typischen Element des touristisch-folkloristischen Tessin-Bildes. Als gesellschaftliches Phänomen und lebendige Tradition mit tiefer lokaler Verwurzelung, auch beeinflusst von Migrationserfahrungen, sind diese kleinen Formationen heute Teil der Identität und Geschichte des Kantons.
Die Besetzung einer Bandella beschränkt sich meist auf Klarinetten und Blechblasinstrumente (gelegentlich sind auch ein Saxophon, ein Akkordeon oder, seltener, eine Gitarre dabei). Die Musikerinnen und Musiker spielen oft ohne Notenblätter. Das Repertoire ist vielseitig und umfasst neben traditionellen Stücken und Volksliedern auch Opernarien, Unterhaltungsmusik und den Jazz der 1930er-Jahre mit seinen synkopischen Rhythmen. Im Vergleich zu früher sind es zwar weniger Formationen, die sich dieser Musik widmen, dafür beschränken sie sich nicht auf das überlieferte Material, sondern suchen mit ihrem Repertoire auch neue Wege – und das mit Erfolg.