In Appenzell Innerrhoden leben Heiltätige, die als medizinische Laien mit Hilfe von altüberlieferten, geheimen Heilsprüchen oder Segensformeln die Schmerzen oder das Fieber nehmen, Blut stillen, Warzen vertreiben oder den «Brand» löschen. Die Kraft des Heilens wird von Generation zu Generation weitergegeben. Für Behandlungen darf von den Gebetsheilenden kein Honorar verlangt werden.
Im Vergleich mit anderen Regionen ist diese Tradition der Heiltätigkeit im Kanton Appenzell Innerrhoden dank eines günstigen (katholischen) Umfelds besonders lebendig geblieben. Sie findet sich aber auch in der Innerschweiz und in der Westschweiz, vor allem in den Kantonen Jura und Fribourg. Die Heilenden verstehen ihre Tätigkeit als Gebet oder üben sie zumindest in inniger Verbundenheit mit Gebeten aus. Schwer abzuschätzen ist die Bedeutung des Gebetsheilens innerhalb des Gesundheitswesens. Obwohl die meisten Bewohnerinnen und Bewohner des Kantons Kenntnis von dieser medizinischen «Subkultur» haben, handelt es sich um ein Phänomen, das dem Blick der Öffentlichkeit weitgehend entzogen ist. Im individuellen Erzählrepertoire vieler Menschen nehmen jedoch Erlebnisberichte über verblüffende, unerwartete Heilungen durch Gebetsheilende einen festen Platz ein.