Appenzell Innerrhoden ist mit seinen rund 16‘100 Einwohnern der bevölkerungsmässig kleinste Kanton der Schweiz. Der Kanton liegt abseits des grossen Fernverkehrs, weil er bis heute weder über einen Nationalstrassenanschluss noch über eine Anbindung an das nationale Normalspur-Schienennetz verfügt. Die verkehrsmässig abgeschiedene Lage führte im 19. Jahrhundert dazu, dass der Kanton von der Industrialisierung «verschont» blieb und stattdessen der Tourismussektor seither einen hohen Stellenwert geniesst. Appenzell Innerrhoden wird aber in erster Linie als Bauern- oder präziser als Milchwirtschaftsland wahrgenommen. Noch 1970 gehörten 32.6% der Erwerbstätigen im Kanton dem Sektor Land- und Forstwirtschaft an. Dieser Wert ist zwar aktuell mit 12 % auf weniger als die Hälfte gesunken, doch das bäuerliche Element ist vor allem in volkskultureller Hinsicht nach wie vor prägend. Zu diesem gesellt sich die katholische Tradition, die das kulturelle Leben in Appenzell Innerrhoden bis zum heutigen Tag wesentlich mitbeeinflusst.
Im Alltag verankerte lebendige Traditionen
Die erwähnten Faktoren haben eine Kulturlandschaft geschaffen, die sich durch eine grosse Vielfalt bäuerlich-katholischer Traditionen auszeichnet. Diese sind im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Alltag nach wie vor stark verankert, verfügen über eine hohe Dynamik und sind entsprechend identitätsrelevant. Die lebendigen Traditionen des Kantons wurden von der Tourismus- und Lebensmittelbranche bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts marketingmässig stark instrumentalisiert, was deren Bekanntheit im In- und Ausland förderte und die Trägerinnen und Träger in ihrem Tun bestärkte.
Zentrale Träger und demnach auch Förderer des Immateriellen Kulturerbes in Appenzell Innerrhoden sind verschiedene Volkskultur-Vereine. Die staatliche Förderung beschränkt sich auf die Bereiche Dokumentation, Archivierung, Inventarisierung, Vermittlung und Pflege. Diese Massnahmen erfolgen auf der Basis des Kulturgesetzes vom 25. April 1999 und des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung «Pro Innerrhoden» vom 25. April 1971. Umgesetzt werden sie im Museum Appenzell, im Landesarchiv Appenzell Innerrhoden und im Zentrum für Appenzellische Volksmusik im Roothuus Gonten.
Nicht alle lebendigen Traditionen des Kantons Appenzell Innerrhoden konnten in der «Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz» berücksichtigt werden. Zahlreiche nicht aufgenommene Traditionen sind gleichwohl von grosser Bedeutung für die Bevölkerung des Kantons, so beispielsweise, die Appenzeller Weissstickerei, das Trachtenhandwerk, die Botzerössli, die Klosterapotheke oder Haararbeiten aus Menschenhaar. Im Bereich der modernen Traditionen sind dabei die beiden Openairs Postplatzfestival (seit 1994) und das Clanxfestival (seit 2003) zu nennen.