Sgraffito-Ornamente zieren zahlreiche Häuserfassaden im Engadin, Bergell, Val Müstair und anderen Regionen Graubündens. Beliebte Motive sind geometrische Muster, Wellenbänder, Rosetten, Tiere und mythologische Figuren. Renaissance-Baumeister brachten die Dekorationstechnik des «Sgraffito» (vom italienischen sgraffiare = kratzen) im 16. Jahrhundert nach Graubünden. Einheimische Handwerker kopierten die Motive und ergänzten sie mit Fantasie zu einem eigenen Typus. Bei diesem Kunsthandwerk werden aus einer feuchten, mit hellem Kalkanstrich übertünchten Putzschicht mit Stiften und Messern Ornamente herausgekratzt. Dadurch kommt der darunter liegende, dunklere Kalkmörtel zum Vorschein.
Die Farbe des Sandes und beigefügte Pigmente bestimmen die Tönung des Verputzes. Wegen ihrer reliefartigen Struktur und ihrer kontrastreichen Farbwirkung eignen sich Sgraffiti besonders zur Zierde der Fenster, Tore, Dachgiebel, Erker und Ecken. In Graubünden erlebte der Kratzputz seine grösste Blüte im 17. und 18. Jahrhundert. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er als charakteristisches Merkmal des Bündner Heimatstils wiederbelebt.
Handwerker und namhafte Künstler setzen heute die Sgraffito-Technik sowohl bei Restaurierungen als auch bei der Gestaltung von Neubauten ein. Sie verwenden traditionelle oder auch moderne Motive und entwickeln ihren eigenen Stil. In Kursen und Seminaren, die vermehrt auf Interesse stossen, wird das Wissen über die alte Handwerkstechnik weitergegeben.